Kann ev. Vermögen für die Nachkommen durch Abtretung auf Anrechnung künftiger Erbschaft unter Rückbehalt einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts «gerettet» werden?
Wir werden von unseren Klienten immer wieder folgendes gefragt: «Ist es sinnvoll, bereits heute, zu meinen Lebzeiten, mein Haus per Erbvorbezug an meine Kinder zu übertragen und ein Wohn- oder Nutzniessungsrecht zurückzubehalten. Sollte nämlich die AHV oder die Pensionkassen für meinen Lebensunterhalt nicht ausreichen, vorallem dann, wenn ich später einmal in ein Pflegeheim muss, bekomme ich Ergänzungleistungen, da ich ja kein Vermögen mehr habe – und das Haus ist für meine Nachkommen gerettet.»
Wird Vermögen, also z.B. ein Haus, auf Anrechnung künftiger Erbschaft (Erbvorbezug) auf die Nachkommen übertragen, geht das Eigentum schon heute auf die künftigen Erben über.
Behält der künftige Erblasser am Haus die Nutzniessung oder ein Wohnrecht kann er das Haus weiterhin nutzen, wie wenn es ihm noch gehören würde. Solange er also im eigenen Haus weiterhin wohnen kann, geht ihm die Rechnung in der Regel auf, er zahlt keine Miete und kann von der AHV und Pensionkasse leben. Reicht aber die AHV nicht, und es kommen keine Leistungen von einer Pensionkasse oder einer Versicherung oder er muss ein paar Jahre später in ein Pflegeheim, wird er Ergänzungleistungen beantragen (müssen). Zur Berechnung der Ergänzungsleistungen wird der kapitalisierte Wert des Nutzniessungs- oder Wohnrechts vom verschenkten Vermögen abgezogen. Der Grund ist einfach erklärt. Er hat zwar sein Haus verschenkt, aber mit der Nutzniessung belastet, d.h. er hat wertmässig weniger verschenkt als der unbelastete Verkehrswert des Hauses effektiv ist.
Der Erblasser ist heute 70 Jahre alt. Verkehrswert Haus: CHF 1’000’000.— minus Hypothek von 300’000.– = verschenktes Eigenkapital CHF 700’000.–. Kapitalisierter Wert des Nutzniessungsrechts von jährlich netto CHF 15’000.—ergibt CHF 247’076. Dieser Betrag wird von CHF 700’000.—abgezogen. D.h. der 70 jährige Erblasser hat rechnerisch nur CHF 452’924.— verschenkt und dieser Betrag wird ihm nach wie vor als Vermögen angerechnet. Das bedeutet, er wird keine Ergänzungleistungen bekommen.
Nun kann er ab dem zweiten Jahr seit der Abretung auf künftige Erschaft jedes Jahr CHF 10’000.— von diesem anrechenbaren Vermögen abziehen. Es wird bald klar, dass es viele Jahre geht, bis im kein Vermögen mehr angerechnet wird und Ergänzungsleistungen bezogen werden können.
Bleibt die Frage, wer zahlt nun für die Pflegkosten? Dem Erblasser wird nichts anderen übrig bleiben, als Sozialhilfe zu beantragen. Aber Achtung: Die Erben werden diese (und seit 2021 auch bezogene Ergänzungsleistungen) aus dem Nachlass zurückzahlen müssen, allerdings wird «nur» der Erbteil herangezogen, der CHF 40’000.— übersteigt.
Fazit: Vermögensabtretung auf künftige Erbschaft unter Rückbehalt einer Nutzniessung oder eines Wohnrechtes kann sinnvoll sein, wenn der Erblasser seinen künftigen finanzielle Bedarf aus AHV, Pesionskasse, Versicherungen etc. decken kann. Stellt sich die Situation aber so dar, dass er eines Tages auf Ergänzungleistungen oder gar Sozialhilfe angewiesen sein wird, werden die Erben unter Umständen das Haus trotzdem verkaufen müssen, um die bezogenen Sozialleistungen zurückzahlen zu können.
Gerade bei Erbvorbezügen (mit oder ohne Rückbehalt einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts) sind noch eine ganze Reihe anderer Überlegungen zu machen, z.B. wie kann die Ausgleichungspflicht des Erbvorbezügers an die anderen Erben finanziert werden; Rückzahlung der Sozialleistungen und Ergänzungsleistungen durch die Erben, greift eventuell eine Verwandtenunterstützungplicht; steuerlichen Folgen, die ein Erbvorbezug auslösen kann (Grundstückgewinnsteuer); es kann zu Streit mit den Erbvorbezügern kommen, speziell wenn Sanierungen der Liegenschaft anstehen; Kapitalbedarf des Erblassers oder der Erbvorbezüger aber das Haus kann wegen der Nutzniessungsbelastung nicht verkauft werden etc.
(Die Ausführungen sollen einen komplexen Zusammenhang einfach erklären und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder individuelle Anwendbarkeit.)
Gerne stehen wir Ihnen für weitere Fragen zur Verfügung!